Teorema wird in der Regel mit der Mai-Revolte der Arbeiter und
Intellektuellen in Europa vom Mai 1968 in Verbindung gebracht, dem Jahr,
in dem Pasolinis Film produziert, veröffentlicht und zum Gegenstand
großer Kontroversen gemacht wurde. Weniger oft wird ein Zusammenhang mit
dem symbolischen Ausgangspunkt der „gay liberation“ in den USA im
darauffolgenden Jahr hergestellt. Gleichwohl erscheint Pasolinis
Geschichte eines pansexuellen Racheengels, der vielfältigen
gesellschaftlichen und seelischen Aufruhr stiftet, rückblickend in fast
schon unheimlicher Weise prophetisch – nicht so sehr mit Blick auf den
geschlechterpolitischen Essentialismus der 1970er, dem Pasolini abhold
war, sondern mit Blick auf die queeren Umwälzungen, von denen die Welt
Jahrzehnte nach Pasolinis Tod erfasst wurde. Meine Analyse dieses Films,
der zugleich Pasolinis zeitlosester und derjenige ist, der am stärksten
in seinem spezifischen Enstehungszusammenhang verankert bleibt, befasst
sich mit den Diskursen, die er ins Spiel bringt, und mit Darstellung
von Begehren, Geschlecht und Körper, onscreen und offscreen.
Ort: Kino des Deutschen Filmmuseums, Schaumainkai 41, Frankfurt.
Filmprogramm: Teorema, I 1968, 105 min.
Thomas Waugh ist Concordia Research Chair in Sexual
Representation and Documentary in der Mel Hoppenheim School of Cinema,
der Concordia University, Montreal. 2015 erscheint „The Conscience of
Cinema: The Films of Joris Ivens 1912–1989“ (Amsterdam University
Press).