Notes Towards a Poem for the Third World (1968) ist ein nicht
realisiertes Filmprojekt, das Pasolinis lebenslanger Auseinandersetzung
mit der „Dritten Welt“ entsprang, wie er die „Entwicklungsländer“
polemisch nannte, um ihre politische und kulturelle Andersheit
hervorzuheben. Das Projekt war Teil von Pasolinis experimenteller
Dokumentarfilmpraxis, der „Notizen“ (Appunti), einer Reihe von kurzen
und mittellangen Filmen, die fiktionale mit nicht-fiktionalen Elementen
mischten. Durchaus im Einklang mit den Positionen seiner Zeitgenossen
Chris Marker und Jean Rouch situieren sich die Appunti an der
Schnittstelle unterschiedlicher filmischer Formen: Sie verknüpfen den
selbstreflexiven ethnographischen Dokumentarfilm mit dem experimentellen
Reisebericht, um die traditionellen Modi der orientalistischen
Repräsentation kritisch zu überdenken. Für Pasolini bedeutete die Reise
in die Dritte Welt eine Erkundung des politischen Projekts der
sogenannten „blockfreien Staaten“, während er zugleich den Traum des
politischen Aktivisten weiter träumte, der in den Befreiungskämpfen der
Dritten Welt ein politisches Engagement fortleben sah, das er im Westen
am Verschwinden wähnte.
Vortrag in englischer Sprache.
Filmprogramm: Sopralluoghi in Palestina, I 1965, 55 min. Le Mura di Sana’a, I 1971, 16 min. Appunti per un film sull’India, I 1968, 35 min.
Ort: Kino des Deutschen Filmmuseums, Schaumainkai 41, Frankfurt.
Luca Caminati ist Associate Professor of Film Studies in der Mel
Hoppenheim School of Cinema der Concordia University in Montreal. Er ist
der Autor von zwei Büchern über Pasolini, „Orientalismo eretico. Pier
Paolo Pasolini e il cinema del Terzo Mondo“ (2007), und „Il cinema come
happening: Pasolini‘s Primitivism and the Sixties Italian Art Scene“
(2010).