Das Sommersemester 2020 ist das erste digitale Semester in Hessen.
Wir waren neugierig, von Lehrenden aus dem hFMA-Netzwerk zu erfahren,
wie sie in den ersten Wochen die neue Situation mit ausschließlich
online stattfindenden Lehrveranstaltungen erleben.
Hier sind ihre Statements:
"Unsere
Tanzabteilung war eine der ersten, die ihren Unterricht ins Internet
verlagert und sich den besonderen Bedingungen gestellt hat.“, berichtet Prof. Dieter Heitkamp von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt.
„Anstelle von gemeinsamen Trainings gab es Aufgabenstellungen, die von
den Studierenden mit Videos aus ihrem ‚Homeoffice‘ beantwortet wurden.“
Die
insgesamt 30minütige Kompilation CO/VID COMPOSITION / CORONALE
KOMPOSITION von Studierenden im 3. Studienjahr im Bachelor-Studiengang
Tanz ist auf youtube zu besichtigen.
„Wir
haben gelernt, die unterschiedlichen Orte, Bedingungen, Umstände,
technischen Voraussetzungen (Equipment, WLAN, etc.) in denen sich die
Studierenden befinden, zu berücksichtigen. Zoom Konferenzen dauern nicht
länger als eine Stunde und wir machen Pausen zwischen den Online
Angeboten.“
„Bereits in der ersten Semesterwoche hatten wir im Career Service neun Online-Veranstaltungen mit insgesamt 400 Teilnehmer*innen.", sagt Jens Blank, Gruppenleiter der Gruppe Karriere und Stipendien an der Goethe-Universität Frankfurt.
"Die Rückmeldungen der Studierenden sind sehr positiv. Der
Koordinationsaufwand der Umstellung ist jedoch ein echter Kraftakt.“
Prof. Thomas Lauterbach und Prof. Bettina Blümner vom Fachbereich Media der Hochschule Darmstadt schrieben uns:
„Die
Studis machen sehr gut und mit und sind dankbar für Struktur und auch
emotionalen Zuspruch in diesen schwierigen Zeiten. Online sind
überraschenderweise plötzlich alle pünktlich und technisch läuft es
bisher rund, obwohl der Screen einer persönliche Betreuung vor Ort nicht
ansatzweise gleichkommt.“
„Außerdem habe ich das Gefühl," ergänzt Bettina Blümner, "dass die Studierenden sehr motiviert sind und sich über jeglichen Input freuen.“
Prof. Dr. Christian Janecke, der an der Hochschule für Gestaltung Offenbach Kunstgeschichte lehrt, reflektiert:
„So
wie man von Blinden weiß, dass sie die ihnen verbliebenen Sinne
besonders zu schärfen und im Zusammenspiel orientierungssteigernd
einzusetzen wissen – so gelingt es, unter digitalen Auspizien eine große
Vorlesung zu halten: per Live Stream und mit nurmehr punktuell mündlich
beteiligten Hörer/innen in großer Zahl. Allerdings bedarf es
umfangreicherer Vorbereitung als sonst, genauerer Artikulation, mitunter
Wiederholung, ständiger Auf- und Nachbereitung (u.a. im Chat) durch
eine Co-Moderatorin (nämlich meine geschätzte Mitarbeiterin, die hier
segensreich wirkt) sowie einer bewunderungswürdigen Bereitschaft von
Studierenden, auch Trockenschwimmen zu goutieren, als wären sie dabei
nass geworden.“
Prof. Jan Peters von der Kunsthochschule Kassel beobachtet:
„Die
Lehre im digitalen Raum läuft besser an, als ich befürchtet hatte. In
dem ganzen Diskurs dazu vermisse ich aber kritische Stimmen, die zum
Beispiel hinterfragen, wie nachhaltig die digitale Welt wirklich ist.
Denn die Verbindungen zwischen virtueller und materieller Welt werden
sehr oft unterschätzt. Es gibt wenig Bewusstsein über den, durch die
Digitalisierung zunehmenden Verbrauch von Energie und Rohstoffen und die
daraus folgende Verdrängung von Wildtieren aus ihren Lebensräumen, die
das Überspringen von Viren auf Menschen zur Folge hat.
Es
könnte also fraglich sein, ob die weitreichende Digitalisierung die
angemessene Reaktion auf die Krise ist. Auf einer Veranstaltung mit
Studierenden, bei der auch dieses Thema besprochen wurde, entstand die
Idee, darauf aufmerksam zu machen, dass zum Beispiel E-Mails nicht
einfach so auf Knopfdruck durch die Luft fliegen, sondern dabei Energie
verbrauchen, indem man das Absende-Geräusch beim E-Mailverschicken auf
ein lautes AUA!-Geschrei ändert. Und jede Mal könnte ein kleines Emblem
aufleuchten, das aussieht wie das Mondgesicht, in das die Rakete in dem
Melies-Film REISE ZUM MOND einschlägt – nur dass es statt dem Mond die Erde ist …"
„Für
mich war spannend, dass ich jetzt mit einem Medium wie dem
Video-Konferenzsystem 'Zoom', seinen Praktiken und Effekten,
experimentieren kann.“, sagt Prof. Dr. Rembert Hüser vom Institut Theater Film und Medien der Goethe Universität Frankfurt.
„Von der Struktur her entspricht das einem klassischen modernistischen
Rastersystem. Anders als in Präsenzseminaren gibt es keinen einheitliche
Raum, jeder spricht tendenziell in 97 unterschiedliche Räume hinein.“ Wie
sich der Medienwissenschaftler nach vier ersten, digital abgehaltenen
Seminaren als ‚Zeremonienmeister‘ fühlt und warum in seinen Augen die
digitale Lehre nicht die Präsenzlehre ersetzen wird, hat er ausführlich
in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beschrieben – hier zum Nachlesen.