Das Wintersemester 2020/21 ist das zweite digitale Semester in
Hessen. Welche Herausforderung das für Universitäten, Kunsthochschulen
und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften bedeutet, machen
Präsident*innen und Lehrende deutlich.
„Mit dem Rückenwind
vielfältiger Erfahrungen aus der Gestaltung digital unterstützter Lehre
im Sommersemester sind die hessischen Universitäten für die
erfolgreiche Organisation des kommenden Wintersemesters deutlich besser
gerüstet als zu Beginn der Pandemie.“, sagt die Vorsitzende der
Konferenz Hessischer Universitätspräsidien und Präsidentin der
Goethe-Universität Frankfurt, Prof. Dr. Birgitta Wolff. „Dabei erkennen wir
auch, dass es an den hessischen Hochschulen keine
,One-size-fits-all‘-Lösungen geben kann. Daher ist es hilfreich, dass
das Land für die Gestaltung der Lehre im Wintersemester einerseits einen
Rahmen zur Verbesserung der Planungssicherheit beschreibt, andererseits
aber Rücksicht nimmt auf die unterschiedlichen Hochschulprofile,
Fächerkulturen und die jeweiligen räumlichen, technischen und
administrativen Möglichkeiten. Das wichtigste bleibt, dass wir unsere
Studierenden nicht abhängen.“
„Hessens Hochschulen für
Angewandte Wissenschaften wollen dieses Wintersemester als Chance
nutzen, die Online-Formate für die Lehre weiterzuentwickeln und zugleich
sorgsam zum akademischen Präsenzbetrieb zurückzukehren.“, erläutert Prof. Dr. Matthias Willems,
Präsident der Technischen Hochschule Mittelhessen und Vorsitzender der
HAW Hessen. „Den unmittelbaren Austausch zwischen Lehrenden und
Lernenden streben wir überall dort an, wo es sinnvoll und verantwortbar
ist – zum Beispiel bei der Laborarbeit in kleinen Gruppen, die an jeder
HAW eine zentrale Funktion bei der Vermittlung praxisbezogener
Qualifikationen hat, und bei überschaubaren Einführungsveranstaltungen
für Studienneulinge.“
Prof. Bernd Kracke, Präsident
der Hochschule für Gestaltung Offenbach (HfG) und
hFMA-Präsidiumsmitglied betont: „Die Kunsthochschulen haben mit großem
Engagement im Sommersemester 2020 digitale Lehrangebote realisiert, die
die ausfallende Präsenzlehre zumindest im Ansatz und übergangsweise
kompensieren konnten. Dennoch hat sich bestätigt, dass ganz ohne Nähe,
Anschauung oder Präsenz künstlerische und gestalterische Lehre schwer
möglich ist. Wir sehen es als Chance und Herausforderung, die Lehre in
den Kunsthochschulen im kommenden Semester, soweit es die Lage erlaubt,
wieder zu erweitern. Dazu ist ein hybrides Konzept notwendig, das –
zugeschnitten auf spezifische Bedürfnisse – digitale und analoge
Lehrveranstaltungen verbindet. Dies ist wichtig, um auch Studierende aus
Risikogruppen mitzunehmen. Im Vordergrund stehen zudem die
Erstsemester: ihnen soll trotz Corona ein möglichst guter und
persönlicher Einstieg in ihr Studium ermöglicht werden.“
„Eine
zweifellos auf uns zukommende Herausforderung ist die Kombination aus
vor Ort abgehaltenen Veranstaltungen, Vorlesungen, Gremien usw. und
ihrer dennoch digitalen Vermittlung an all jene, die aus
gesundheitlicher Vorsicht nicht zugegen sein können oder – was nicht
vergessen werden darf – für die es selbst in den größten Räumen, über
die eine Institution wie die HfG verfügt, keinen Platz mehr gibt.“,
ergänzt Dr. Christian Janecke, Professor für Kunstgeschichte an der Hochschule für Gestaltung Offenbach.
„Was
meine eigene Vorlesung im Hauptstudium betrifft, die von sehr vielen
Menschen (und Teddybären? ich weiß es nicht genau!) besucht (oder nur
digital aufgerufen) wurde, so kann ich sagen, dass einige, von denen ich
bislang wenig gehört hatte, nun hervortraten, etwa durch Nachfragen,
Hausarbeitsideen u.ä.; andere und alte Bekannte hingegen tauchen eher
mal ab. Man weiß also nicht stets, wer einem digital gewogen ist, wer
einem allmählich entgleitet. Im Übrigen sind Verstetigungs- bzw.
Routinisierungseffekte nicht außer Acht zu lassen. Viele Studierende, so
scheint mir, haben sich nolens volens nämlich nicht nur auf das
Provisorium digitaler Substitute eingelassen, sondern sich damit,
jedenfalls für den Augenblick, abgefunden; die machen jetzt 'ihr Ding'
eben teils von woanders aus, müssen es vielleicht auch im Gefüge
anderweitiger Verpflichtungen. Es gibt vermutlich nicht nur die leidlich
diskutierten Mühen und Unkosten einer Umstellung aufs Digitale, sondern
auch die einer Entwöhnung vom Digitalen.“