Jedes Kunstwerk ist ein Experiment: Es ist ein Experiment der Kunst; ein Versuch, ob man so Kunst machen kann: ob man sie so und ob man sie überhaupt machen kann.
Jedes Kunstwerk ist ein Experiment, weil jedes Kunstwerk bei Null beginnt – ein Kunstwerk, das nicht bei Null beginnt, sondern die Kunst für gesichert und gegeben hält, ist gar keins.Denn der Nullzustand, bei oder in dem das Kunstwerk beginnt, ist der ästhetische Zustand, der Zustand ästhetischer Freiheit. Jedes Kunstwerk ist ein Experiment, weil es die Möglichkeit erprobt, aus dem Zustand ästhetischer Freiheit ein Werk zu schaffen.
Jedes Kunstwerk ist aber nicht nur ein Experiment der Kunst, es ist auch ein Experiment des Lebens. Wer ein Kunstwerk macht und wer ein Kunstwerk erfährt, ist darin ästhetisch tätig, aber er übt diese Tätigkeit in seinem Leben aus. Wer ein Kunstwerk macht und wer ein Kunstwerk erfährt, steht vor der Frage, wie er damit und danach leben will und kann.
Er steht vor der Frage, welchen Ort er der ästhetischen Tätigkeit in seinem Leben geben will und kann – und ob diese Tätigkeit sich auf diesen Ort begrenzen läßt, was die ästhetische Tätigkeit, die er tut, mit ihm tut. Jedes Kunstwerk ist ein Experiment, weil es nach der Möglichkeit der Kunst fragt, und jedes Kunstwerk ist ein Experiment, weil es, als ein Gegenstand ästhetischer Tätigkeiten, nach der Möglichkeit des Lebens mit der Kunst fragt.
Mi. 11.07. Marburg, Biegenstraße 14, HSG 116, Philipps-Universität, 18 Uhr
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