Der Verband der unabhängigen Filmverleiher protestiert gegen die
Zweckentfremdung von Kulturmillionen für Netflix und Co durch die
Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Auch der Verband
der deutschen Filmkritik und die „Initiative Zukunft Kino + Film“
unterstützen den folgenden Appell:
„Sehr überrascht
mussten wir am 6. Mai 2022 der Presse entnehmen, dass der hauptsächlich
für Serienproduktion konzipierte German Motion Picture Fund (GMPF) aus
Kulturfördermitteln der BKM erneut um 15 Mio Euro aufgestockt wurde und
damit in diesem Jahr ein Fördervolumen von 90 Mio Euro erreicht. Dies
entspricht beinahe dem Fördervolumen für Filmproduktionen von
Filmförderungsanstalt (FFA) und Deutschen-Filmförderfonds (DFFF)
zusammen.
Wir sind äußerst irritiert über diese massive
Umgewichtung von Kulturfördermitteln, für die wir im
Filmförderungsgesetz keinen politischen Auftrag finden und die in
eklatantem Widerspruch zur Berlinale-Antrittsrede der
Kulturstaatsministerin Claudia Roth steht. Das Kino, insbesondere die
deutsche, europäische und internationale Filmkultur, befindet sich seit
Corona unverschuldet in einer schweren, andauernden Krise. Immer noch
ausbleibende Besucher, wegbrechende Finanzierungspartner und der
kreative Abfluss weg vom Kino hin zu Streamerproduktionen setzen
ProduzentInnen, VerleiherInnen und Kinos massiv unter Druck. In
intensiven Gesprächen mit den verantwortlichen Stellen der BKM haben wir
diese Entwicklung bereits zum Jahreswechsel 2021/22 gemeinsam
analysiert, ein Ad-Hoc-Förderprogramm erschien allen Seiten notwendig
und befand sich im Prozess der Ausgestaltung. Dann allerdings brach die
Kommunikation komplett ab, bis uns jetzt die Nachricht erreichte, dass
für dieses Programm keine Mittel zur Verfügung stünden.
In
dieser extrem fragilen Situation werden nun zusätzliche 15 Mio Euro in
die Serienproduktion gepumpt – in einen durch die Pandemie geradezu
gestärkten und bestens funktionierenden Markt, in dem weltweit
Milliarden Euro privates Kapital zur Verfügung stehen. Einen Markt, der
für einen eklatanten Fachkräftemangel in der Produktion sorgt und
kreative Talente aus dem Kino abzieht, nicht zuletzt aufgrund sehr hoher
Gagen und besserer Verdienstmöglichkeiten als in der inzwischen
chronisch unterfinanzierten Kinoproduktion. Welche Lenkungs- und
Steuerungsfunktion soll diese Förderung aus Steuermitteln durch die BKM
haben? Welche Erfolgskriterien werden hier angelegt? Ist es als Erfolg
zu werten, dass ein neues Serienprojekt überhaupt entsteht oder sollte
auch ein Publikum erreicht werden? Hier findet eine eklatante
Marktverzerrung statt, da zu allem Überfluss Serien mit Steuergeld
gefördert werden, die auf Plattformen ausgewertet werden, die
bekanntermaßen in Deutschland keine Steuern zahlen.
Die
erneute Erhöhung des GMPF ist das denkbar schlechteste Signal für die
Kino- und Filmkultur. Jetzt wären die Chance und die Notwendigkeit
gewesen, in den mehr als zwei Jahren Pandemie zu agieren statt nur zu
reagieren und das Kino und seine Partner proaktiv auf weitere Monate der
Corona-Nachwirkungen vorzubereiten. Diese Chance wurde durch die
Aufstockung des GMPF vertan. Den leidenschaftlichen Reden für die
Filmkultur müssen Taten folgen, sonst bleiben sie bloße Sonntagsreden.
Wir fordern Staatsministerin Claudia Roth auf, dringend das Gespräch mit
allen KinoakteurInnen, mit ProduzentInnen, VerleiherInnen und Kinos,
wieder aufzunehmen, um neue Strategien für den Kinofilm zu diskutieren
und dieser großartigen Kunstform, auch im Angesicht eines möglichen
weiteren Corona-Winters, das Wiedererstarken zu sichern." Der Vorstand der AG Verleih – Verband unabhängiger Filmverleiher e.V.