hFMA: 2009 hast du an der Kunsthochschule Kassel deinen Abschluss mit dem Animationsfilm „Die Gedanken sind frei" gemacht, der dann auch gleich in die ersten Ausgabe des 'Hessen Talents'-Programms aufgenommen wurde. Wie ist es dann für dich weitergegangen?
URTE: Es war eine tolle Erfahrung im „Hessen Talents Programm“ mit meinem Abschlussfilm unter anderem auf der Berlinale zu laufen. Dadurch konnte ich eine Menge Kontakte knüpfen und vertiefen, was in der Trickfilmbranche sehr wichtig ist. Der Film lief anschließend erfolgreich auf mehr als 30 Festivals im In-und Ausland, wurde in Ausstellungen und Kunstmessen gezeigt, Preise gewonnen und hat Referenzförderungspunkte gesammelt.
Direkt nach meinem Studium habe ich mich als Character Animatorin selbstständig gemacht und bin jahrelang von Studio zu Studio gereist, um an den unterschiedlichsten Produktionen deutschlandweit mitzuwirken. Da ich schon während des Studiums Berufserfahrung sammeln konnte, ging es für mich nahtlos ins Arbeitsleben über. Ich habe in verschiedene Techniken (Zeichentrick, 3D-Animation, digitaler Legetrick) hauptsächlich an kommerziellen animierten Kinofilmen, Serien und Kurzfilmen gearbeitet.
Allerdings habe ich neben der klassischen Animationstechnik eine besondere Leidenschaft für experimentelle Filme und künstlerische Herangehensweisen an Filmprojekte, weswegen ich parallel auch an künstlerischen Filmen zB. am Niaf (Netherlands Institute for Animation Film) gearbeitet und eigene Kurzfilmprojekte realisiert habe („Leerstelle“).
Zeitgleich mit meinem Abschluss von der Kunsthochschule Kassel begann auch meine Tätigkeit in der Lehre. So habe ich neben Workshops an der Kunsthochschule Kassel auch einige Lehraufträge für Animation und Character Development an der HOWL und der Bauhausuni Weimar angenommen und fokussiere mich seit über 10 Jahren neben meiner Arbeit als Animatorin auch auf meine Lehrtätigkeit als Senior Lecturer am Animationsinstitut an der Filmakademie in Baden-Württemberg, in meiner Funktion als Leiterin der Studienvertiefung Character Animation.
Viele Jahre habe ich mich als Vorstandsmitglied in der AG Animationsfilm für die Belange von Trickfilmschaffenden eingesetzt, um einen Anstoß zu geben zur Verbesserung der Arbeitswelt von Trickfilmer*innen, war in den unterschiedlichsten Auswahljuries vertreten und bringe meine Fachkompetenz auf Podiumsdiskussionen (u.a. FMX und Mitteldeutsche Medientage) und beratend in Gremien, wie der Züricher Filmstiftung ein.
hFMA: Seit 2015 hast du das Trickfilmstudio Federfisch Animation in Leipzig. Hat dich das Studium an der Kunsthochschule gut ausgerüstet für den Berufsalltag als Filmemacherin?
URTE: Mein Studium an der Kunsthochschule Kassel war ein wichtiger Baustein in meiner Ausbildung und hat mir vor allem Raum gegeben, mich als Filmemacherin auszuprobieren. Hier hatte ich den Mut jenseits aller kommerzieller Konventionen die künstlerischen Aspekte im kurzen Animationsfilm auszuloten.
An der Kunsthochschule haben wir auch gelernt, Projekte in Gänze umzusetzen und alle Arbeitsschritte, die bei einer Produktion nötig sind, selbst zu durchlaufen und zu reflektieren, was einen großen Vorteil im Berufsleben darstellt, da man für viele Positionen einsetzbar ist. Das erlaubte einen umfassenden Einblick in die Trickfilmproduktion und der Austausch mit den anderen Studiengängen förderte eine Vielseitigkeit künstlerischer Handschriften.
hFMA: Im Mai 2022 kam der abendfüllende Animationsfilm 'Die Odyssee' ins Kino, an dem du mit anderen internationalen Animator*innen anderthalb Jahre lang gearbeitet hast. Du arbeitest aber auch als Regisseurin für eine Kinderserie für den Kika. Wie ist die Zusammenarbeit mit den Öffentlich-Rechtlichen zustande gekommen?
URTE: Während meiner jahrelangen Mitarbeit in vielen Studios in unterschiedlichen Städten und Bundesländern habe ich mir ein großes Netzwerk an Auftraggebern und Mitarbeitern aufgebaut, auf das ich bei der Gründung meines Studios zurückgreifen konnte. Da die Auftragsvergabe in unserer Branche oft über Empfehlungen und eine direkte Anfrage läuft, ist es sehr wichtig, sichtbar zu sein, verlässlich und neugierig in der Produktion aufzutreten. Ich bekomme die unterschiedlichsten Anfragen aus vielen Bereichen der Produktion und stehe als Partner für größere Projekte in meinem Studio zur Verfügung, initiiere aber auch selbst Filmprojekte in unterschiedlichen Kontexten.
hFMA: Deine eigenen Filme sind eher experimentell, in deinem Arbeitsleben versuchst du Kunst und kommerzielle Produktionen zu verbinden. Was ist das Ziel dieser Strategie?
URTE: Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für diese unterschiedlichen Bereiche der Animation. Bei kommerziellen Projekten, die meist in der klassischen Technik animiert werden, kann ich meinen Hang zum Perfektionismus ausleben und bei den Filmen mit experimentellerem Ansatz kann ich das alles komplett ignorieren und mich von meinem Instinkt leiten lassen, frei „aus dem Bauch heraus“ animieren.
Mit Auftragsarbeiten für TV und Kino wird eher ein junges Publikum bedient, wohingegen Themen für ein erwachsenes Publikum meiner eher ernsthaften Natur nahe sind und ich den intellektuellen Austausch genieße. Ich versuche mit der Arbeit in meinem Studio beide Richtungen zu vereinen und Raum und Zeit für diese verschiedenen Ansätze zu schaffen, Kunst und Kommerz zu verschränken.
Im Idealfall lassen sich künstlerische Aspekte in Auftragsarbeiten – also Kinderfilm – einfließen und es bietet sich auch die Möglichkeit von der Arbeit an künstlerischen Filmproduktionen leben können.
Mein Ziel ist es, langfristig als Trickfilmerin zu arbeiten, mit vielseitigen Herausforderungen meine Familie und mein Leben finanzieren zu können und mich künstlerisch weiterzuentwickeln, ohne die jeweils andere Sache aus den Augen zu verlieren. Das Aufrechterhalten der Leidenschaft.